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Forschungspreis

Seit 1981 verleiht die Schweizerische Herzstiftung jährlich einen Forschungspreis für eine oder mehrere hervorragende wissenschaftliche Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Prävention, Diagnose und Behandlung der Herz-Kreislauf-Krankheiten. Der Preis ist mit CHF 20'000 dotiert.

Forschungspreis 2025: Bessere Herzinfarkt-Diagnosen dank KI

Jasper Boeddinghaus hat ein Verfahren mitentwickelt, mit dem man noch schneller und genauer einen Herzinfarkt diagnostizieren oder ausschliessen kann. Dazu hat der am Basler Universitätsspital tätige Kardiologe künstliche Intelligenz eingesetzt. Patient*innen in Not und Spitäler sollen davon in den nächsten Jahren profitieren.

Bei einem Herzinfarkt pressiert es. Ihn rasch und korrekt zu erkennen, ist jedoch nicht immer einfach. Wenn Betroffene auf die Notfallstation kommen, präsentieren sich erst einmal die typischen Symptome: klemmender Schmerz in der Brust, der in Schultern, Arme, Rücken oder Oberbauch ausstrahlt. «Aber solche Schmerzen können viele Ursachen haben, zum Beispiel harmlose muskuläre Beschwerden oder auch starkes Sodbrennen, eine Lungenembolie oder eine Entzündung des Herzbeutels», sagt PD Dr. Jasper Boeddinghaus, interventioneller Kardiologe am Universitätsspital Basel. Bei Verdacht auf einen Herzinfarkt wird als erstes ein EKG geschrieben. Kleinere Herzinfarkte sind im EKG jedoch nicht immer klar erkennbar. Dann kommen als Zweites die sogenannten Biomarker ins Spiel. Man sucht im Blut nach Stoffen, die beim Absterben von Herzmuskelzellen dorthin gelangen. Der wichtigste Biomarker zur Erkennung des Herzinfarkts ist das Troponin. Ist zu viel davon vorhanden, weist dies auf ein hohes Infarktrisiko hin. Man behält den Patienten, die Patientin zu weiteren Abklärungen im Spital.

Die Nachteile der empfindlichen Tests
Die Troponin-Messung des Bluts gehört seit 25 Jahren zur Abklärung des Herzinfarkts. Sie hat sich stets verbessert. Die neuen hochempfindlichen Tests sind sehr genau und finden auch geringe Mengen. «Diese Tests sind wunderbar, wir können damit auch kleine Herzinfarkte gut feststellen», sagt Jasper Boeddinghaus. Doch die Genauigkeit hat eine Kehrseite. Erhöhtes Troponin findet man auch bei Menschen ohne Herzinfarkt, zum Beispiel nach intensivem Sport oder bei Herzrhythmusstörungen, die nichts mit einem Herzinfarkt zu tun haben. «Gerade ältere Menschen und solche mit chronischen Nieren- oder Herzerkrankungen haben dauerhaft höhere Troponin-Werte», so Boeddinghaus, «weshalb wir im Notfall oft nicht wissen, ob es sich um einen chronischen oder akuten Herzschaden handelt.» Wer nur auf das Troponin schaut, wird deshalb öfter als nötig einen Herzinfarkt vermuten und dadurch Patient*innen ohne Infarkt zu lange im Spital behalten.

Neuer Algorithmus soll weiterhelfen
Wie kommt man zu einer zuverlässigeren Diagnose? Die bisherigen Tests arbeiten mit festen Grenzwerten, die für alle gelten. Jasper Boeddinghaus hat nun gemeinsam mit Kolleg*innen der Universität Edinburgh ein neues klinisches Entscheidungsinstrument entwickelt, das nicht nur das Troponin berücksichtigt. «Das Elegante an unserem Verfahren ist, dass wir Faktoren miteinbeziehen, von denen wir wissen, dass sie den Troponin-Wert beeinflussen», sagt Boeddinghaus. Dazu gehören unter anderem das Alter, das Geschlecht und die Nierenfunktion. Ebenfalls berücksichtigt wird das EKG. Diese zusätzlichen Informationen sollen helfen, die Troponin-Werte im Einzelfall besser zu beurteilen. Um diesen Algorithmus zu entwickeln, setzten er und sein Team künstliche Intelligenz (KI) ein. Umfangreiche Daten von etwa 20 000 Patient*innen wurden dazu benutzt. Zunächst wurde die KI mit der Hälfte der Daten trainiert. Der Maschine wurde gesagt, bei welchen Personen ein Herzinfarkt festgestellt wurde und bei welchen nicht. Sie erstellte daraus dieses Entscheidungsinstrument, den Algorithmus. An der zweiten Hälfte der Patient*innen-Daten wurde der Algorithmus getestet, um zu prüfen, wie gut die Maschine damit einen Herzinfarkt richtig erkennen oder ausschliessen kann.

Entlastung für Notfallstationen
Die Resultate haben das Team überzeugt. Der neue Algorithmus konnte Herzinfarkte genauso sicher diagnostizieren wie das herkömmliche Verfahren. Gleichzeitig bot er die erwünschten Vorteile: Der Algorithmus erkennt mehr Patient*innen, die ein geringes Risiko haben und bei denen man einen Herzinfarkt ausschliessen kann. Darüber hinaus ist der Algorithmus flexibler. Bislang brauchte es zwei Troponin-Messungen, eine bei Eintritt und eine zu einem genau definierten Zeitpunkt, zum Beispiel eine Stunde später. Für die neue Methode reicht eine einzige Troponin-Messung aus oder eine zusätzliche innerhalb der nächsten 24 Stunden. «Das heisst, wir werden künftig noch mehr Patientinnen und Patienten mit einem geringen Risiko nach nur einer einzigen Messung aus dem Spital entlassen können», sagt Boeddinghaus. Dies entlastet nicht nur die Betroffenen, sondern auch die überfüllten Notfallstationen.

Bislang wurden für die Studie bereits bestehende Daten benutzt. Damit sich das neue Verfahren im klinischen Alltag als wirksam herausstellt, muss es an zukünftigen Patient*innen getestet werden. «Wir planen dazu eine grosse randomisierte Studie», erklärt Boeddinghaus. Er ist zuversichtlich, dass die künstliche Intelligenz in den nächsten fünf bis acht Jahren dazu verhilft, die Betreuung der Patient*innen im Notfall merklich zu verbessern.

Für seine Forschungsarbeit erhält Jasper Boeddinghaus den Forschungspreis 2025 der Schweizerischen Herzstiftung.

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